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  Rheinische Post/Niederrhein 1996


Bilder von Kälte, Einsamkeit und Verlassensein
Mit einer Foto-Zeitung dokumentierte der Aachener Fotograf Andreas Magdanz die Veränderungen im Braunkohlentagebaugebiet Garzweiler

Von Sabine Königs

Das Muster der Tapete verrät den Geschmack längst vergangener Jahre. Helle Schatten lassen ahnen, wo einst Bilder hingen. Das Fenster ist mit Brettern vernagelt. Einzige Verbindung zur Aussenwelt scheint die schwarze Öffnung des Ofenrohrs. Russumrandet, einer Schussverletzung gleich, klafft sie in der Wand. Der Ofen, Energiespender-Relikt der frühen 60er, steht funktionslos im Raum. Nutzlos, vergessen. Sperrmüll. Spuren von Leben haben zuletzt Profilsohlen von Arbeitsschuhen in die Staubschicht der Holzdielen gedrückt.

Momentaufnahmen

Ein Bild von Kälte, von Verlassenheit - aufgenommen im Braunkohlenrevier Garzweiler, in einem jener Häuser, deren Besitzer schon vor Jahren ihr Zuhause verlassen mussten, um den Baggern des Braunkohlentagebaus Platz zu machen. Festgehalten hat die Momentaufnahme der Aachener Fotograf Andreas Magdanz. Die Nähe des 34jährigen zur Region Garzweiler liegt in seiner Biographie begründet. »Schon als Jugendlicher habe ich viel Zeit mit Freunden in Garzweiler, Otzenrath, Priesterath verbracht, habe enge Kontakte auch zu Älteren in den Dörfern zwischen Jüchen und Jackerath geknüpft«, erzählt der gebürtige Mönchengladbacher. Magdanz wurde so Augenzeuge einer unaufhaltsamen Veränderung. Die langsame Zerstörung von Landschaft, die Umsiedelung ihrer Bewohner, das Sterben von Ortschaften mit der Kamera festzuhalten, hat den Lehrbeauftragten der Fachhochschule Aachen gereizt. Drei Monate quartierte er sich mit Studenten zur Arbeit an dem Projekt in einem der leeren Häuser in Garzweiler ein.
"Ich bin kein Freund blosser Abbildung«, sagt der Kamera-Profi. »Ernsthafte Fotografie heisst für mich bewusstes Sehen. Ich möchte mit meinen Bildern ein Stück weit hinter die Wirklichkeit blicken, möchte der Wahrheit ein Stück näher kommen.« Die Kaffeetasse auf dem Tisch könne ebenso eine Geschichte erzählen, eine Stimmung vermitteln, wie ein Baum oder das Gesicht eines Menschen.

Oder wie der Blick durch das abendliche Alt-Garzweiler, von dem nur die Hauptstrasse geblieben ist. Im Bordstein sind noch die Einbuchtungen der Garageneinfahrten und Hauseingänge zu erkennen, doch ansonsten erinnert nichts daran, dass hier einmal Menschen lebten. Strassenlaternen beleuchten die gespenstische Szene schwach, eine ist bereits erloschen. Wieder Funktionslosigkeit, Einsamkeit, Verlassensein. Wie die Gruppe von Gartenmöbeln, die neben alten Autoreifen aufklappbereit zu warten scheint und doch durch die Zeitläufte zu Nutzlosigkeit verurteilt ist. Wie das liebevoll und akkurat an der Wand sortierte Werkzeug des Hobbybastlers. Leben gibt es in den Fotos kaum - allenfalls hat es Spuren hinterlassen, in der zerfurchten Gesichtslandschaft einer alten Frau, in einem schemenhaft durch die Dämmerung fliegenden Vogel.
Erzählt wird die Magdanzsche Bildergeschichte in Form einer Zeitung. »Ein Kunstbuch im Hochglanzdruck hätte ich unpassend gefunden«, erklärt der Fotograf. »Ich wollte ein Alltagsmedium, das schnell zu erfassen, schnell durchzublättern ist.« Ergänzt ist der Bilderbogen um einen Text zum Braunkohlenrevier des Kunsthistorikers Walter Grasskamp, übersetzt in sieben Sprachen - »international wie die Fotos«, so Magdanz.

Emotion statt Entspannung

Nicht Entspannung, sondern Emotionalität sollen die »Gefühlsbildnisse« dem Auge des Betrachters bieten. Der hingegen scheint mehr darin zu entdecken: Immer wieder rufen Bürgerinitiativen an, die Magdanz zu politischen Veranstaltungen einladen wollten. Auch viele Ausstellungsbesucher vermuteten eine politische Aussage in den Garzweiler-Fotos. »Ursprünglich ging es mir gar nicht um das Politikum Garzweiler«, sagt er, »aber vielleicht ist gerade das Unpolitische in diesem Fall hochpolitisch."
 
 
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