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  KÖLNER STADTANZEIGER
03.07.2004

Vogelsang: düster, bizarr, monumental


Der weltbekannte Fotograf Andreas Magdanz begibt sich ein ganzes Jahr auf Motivsuche. Natur, Architektur und Militär sind die Themen des Grossprojekts.


Von F.A. Heinen

Vogelsang - Andreas Magdanz wäre wohl in einem anderen Beruf zum pedantischen Erbsenzähler geworden. Als Fotograf hat er sich allerdings zu einem ganz Grossen entwickelt. Er sucht nicht, er findet die Motive. Er nähert sich dem Bildmotiv an wie die Katze dem heissen Brei. Er umschleicht das Objekt und lässt sich Zeit, bis er sein Wesen wirklich begriffen hat.

Für eine Dokumentation über den ehemaligen Regierungsbunker bei Dernau kroch Magdanz sieben Monate durch die Unterwelt des Ahrgebirges. Doppelt so lange will er sich nun einer markanten Zeitenwende in der Eifel widmen. Ein Jahr lang wird der 41-Jährige mit Stativ und Pentax-Kamera den Noch-Truppenübungsplatz Vogelsang ergründen.

Ausstellung und Buch

Magdanz startet seit Februar fast täglich von seinem Zweitwohnsitz in Woffelsbach am Rursee zur Vogelsang-Expedition. Am Ende soll erstens eine Bilder-Ausstellung mit Grossformat-Fotos stehen, zweitens eine Buchveröffentlichung. Wobei die Bild-Ausstellung dauerhaft auf Vogelsang bleiben könnte.

Der 41-Jährige hat das Thema Vogelsang dreigeteilt: Dieser Ort ist ein Gemisch aus einzigartiger Natur, vermengt mit der teilweise absurden Architektur eines militärischen Übungsgeländes und mit einer früheren Nazi-Kultstätte. Daraus leiten sich die Themen ab: Natur, Architektur und Militär.

Im Schatten der militärischen Nutzung konnte sich im weitaus grössten Teil des Truppenübungsplatzes eine einmalige Naturlandschaft entwickeln. Die wiederum kontrastiert seltsam mit den Verletzungen, die der Natur zugefügt werden. So kann einerseits im Urfttal der seltene Fischadler jagen, während nebenan der Kermeterhang von Geschossen blankgewetzt wird.

Die Landschaft wurde ab 1934 ideologisch instrumentalisiert. Wald und See bildeten die Kulisse, als Inszenierung darauf aufgepfropft wurde die »NS-Ordensburg«. In den 30er Jahren liess sich der renommierte Architekturfotograf Hugo Schmölz aus Köln auf die Schwarz-Weiss-Darstellung dieser Landschaftsinszenierung ein. Schmölz arbeitete ähnlich wie Leni Riefenstahl. Er unterwarf sich der damaligen Architektursprache, um sie handwerklich gekonnt als Fotograf zu stilisieren.

Genau das will Magdanz nicht. Aus der Nähe betrachtet, wirken die Bauwerke heute durchweg düster, teilweise bieder und banal, errichtet in einem Gemisch aus Heimatschutzstil der 20er Jahre und Ansätzen des Monumentalismus.

So rückt weit mehr die militärische Nachkriegsnutzung in den Vordergrund. Die Belgier verwandelten die frühere Nazi-Kultstätte in die Kaserne einer demokratischen Streitmacht. Das war der bislang gravierendste Schnitt in der Geschichte Vogelsangs. Dabei nutzten die Belgier manche Gebäude so, wie die Erbauer sie auch genutzt hatten. Die Unterkünfte dienen bis heute der Unterbringung von Soldaten.

Anderes passten die Militärs ihren Bedürfnissen an: Der 15 Meter hohe ehemalige »Kultraum« im Burgturm wurde beispielsweise zum Kletterraum. Darüber hinaus schufen die Belgier selbst neue Architektur. Das wohl beste Beispiel dafür ist das Grossraumkino für ursprünglich bis zu 1100 Besucher. Magdanz fotografierte auch eine aus Holzstämmen errichtete Kirchensilhouette. Die natürlich nichts anderes ist als eine putzig anmutende Kulisse für das reale Strassenkampf-Training. Die Wüstung Wollseifen fasziniert den Fotografen Magdanz ganz besonders. Vom eigentlichen Dorf stehen nur noch wenige Ruinen. Daneben ragen 20 Rohbauten auf, die dem Training des Häuserkampfes dienen.

Magdanz stiess auch auf Motive, die nur das Auge eines Profi-Fotografen findet. Ein solches Motiv ist ein »Pappkamerad« für die Polizei-Spezialkräfte, die gelegentlich auf Vogelsang schiessen. Die Pappfigur trägt einen eleganten, blauen Anzug, Krawatte und Pistole. Gut sichtbare »Schusspflaster«, die auf Einschusslöcher im blauen Anzug geklebt wurden, belegen, dass der Anzugträger schon viele Tode gestorben ist: bizarr, wie so vieles auf Vogelsang.

Derzeit widmet sich Magdanz verstärkt dem Thema Natur. Von Pentax hat er sich ein mehrere Kilo schweres Teleobjektiv mit 600 Millimeter Brennweite besorgt. Ein Luchs ist ihm sogar schon mal vor die Kamera gelaufen. Magdanz hofft, ihm demnächst durch das Tele ganz tief ins Auge blicken zu können.
 
 
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