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  DAMALS, DAS MAGAZIN FÜR GESCHICHTE
UND KULTUR 8/2001, S. 48


Rückbau des Kalten Krieges

Der Fotograf Andreas Magdanz dokumentiert die geheime Anlage eines im Ahrtal gelegenen Atombunkers, in dem die Regierungsmannschaft der Bundesrepublik nach einem Atomschlag überdauern können sollte.

Von Birgit Kilp

Das Inferno ist entfesselt. Die Bundesrepublik trifft der grauenhafte Atomblitz. In dieser öden Todes-Wüstenei, die vor wenigen Minuten noch Deutschland hiess, regt sich kein Leben mehr. Kein Leben? Doch, im Ahrtal bei Bonn haben sich 3000 auserwählte Verantwortungsträger tief in die Erde eingegraben und harren dort bis zu 30 Tagen aus; so lange vielleicht, bis sich der ärgste radioaktive Staub verzogen hat. Dazu benötigten sie 188023 Quadratmeter Grundstücksfläche, 83000 Quadratmeter, 367000 Kubikmeter umbauten Raums und ein weitverzweigtes unterirdisches Stollensystem von 19 Kilometern Länge; des weiteren: 25000 Türen, 936 Schlafstellen, 897 Büros, fünf Grosskantinen, fünf Kommandozentralen, fünf Sanitätsbauwerke, eine Druckerei, einen Raum für ökumenische Gottesdienste und (die Fahrräder dienten zur Informationsübermittlung) zwei Hallen für Fahrradabstellplätze. Und dies alles kostete den braven Steuerzahler zuvor drei Milliarden Mark. Dafür hätte dieser bis zur fatalen Stunde X aber auch in der beruhigenden Gewissheit gelebt, Kanzler und Regierung würden ihn selbst nach dem finalen Atomschlag etwa einen Monat überdauern, wenn er denn etwas davon geahnt hätte; doch sämtliche Fakten im Zusammenhang mit diesem Mammutprojekt waren »streng geheim«.

Bleibt nur die Frage, wer oder was wäre für die verantwortungsvollen Überlebenden, nachdem sie - sicherlich psychisch in einigermassen labilem Zustand - an die Oberfläche gestossen wären, noch zum Regieren übrig gewesen? Um der verstörten Regierungsmannschaft diese Probleme zu erleichtern, hatte man denn auch enorme Mengen an Psychopharmaka in der unterirdischen Wehranlage gebunkert.
Es herrscht eine beängstigende und bedrückende Stimmung hinter den meterdicken, aufwendigen Stahltoren, die die Anlage unter dem Trotzenberg hermetisch von der Aussenwelt abriegeln, weiss der Fotograf Andreas Magdanz zu berichten. Als der engagierte Fotograf in einer Zeitungsnotiz 1998 von der Schliessung der gewaltigen Anlage erfuhr (wegen des Umzugs der Regierung nach Berlin und neuer Brandschutzmassnahmen, die eine Investition von 80 Millionen Mark erfordert hätten), beschloss er spontan, dieses Monument des Kalten Krieges für die Nachwelt dokumentarisch festzuhalten. Und wirklich, er erhielt vom damaligen Verteidigungsminister für drei Tage die Erlaubnis, die unermesslichen Tiefen des »Ausweichsitzes der Verfassungsorgane des Bundes« mit seiner Fotokamera zu erforschen. Daraus wurden schliesslich sieben Monate intensivster Arbeit, in deren Verlauf um die 1000 anschauliche Grossbildnegative entstanden. Aus diesem reichen Fundus traf der Fotograf eine eindrückliche Auswahl für seinen im Selbstverlag publizierten lehrreichen Bildband. In einem aufschlussreichen Video lässt sich die bizarre Geräusch-Welt dort unter den Weinbergen erlauschen.

Noch grössere Öffentlichkeitswirkung gelang Magdanz schliesslich mit seiner Ausstellung im Bonner Rheinischen Landesmuseum des Landschaftsverbandes Rheinland, wo er einige gelungene Grossformate seiner Fotos präsentieren konnte: Original Einrichtungsgegenstände, so die Couchgarnitur des Präsidialamtes, vermitteln unverfälschtes Spätsechziger-Design in freundlichen Pink-Orange-Tönen. Das Gesamtprojekt können Interessierte nun auch im Internet einsehen, und wer an aktuellen News zum Thema Gefallen findet, kann sich vom Autor via E-Mail auf dem laufenden halten lassen. Und so wird wohl hoffentlich das wache Gedenken an die wild wuchernden Auswüchse, die starres ideologisches Schwarz-Weiss-Denken hervorzubringen vermag, dank Andreas Magdanz' foto-archivarischer Arbeit nun nicht mehr verlorengehen. Die »Bunte Kuh« (nach dem Namen der oberirdischen Gemarkung), das »Gasmaskenpüfgerät«, der einzigartig lila tonige Frisiersalon, die schrecklichen klinischen Entgiftungsanlagen bleiben so - zumindest als fotografische Erinnerung - für immer greifbar.

Wenigstens einen Teil der Anlage hätte Andreas Magdanz am liebsten als Mahnmal erhalten, doch leider fand er für diesen Plan keine mächtigen Mitstreiter (eine mögliche Umnutzung beispielsweise als Champignon Zucht oder Erlebnis-Gastronomie - scheiterte an zu hohen Auflagen und Kosten) und so lautet die Lösung für das subterrane Monstrum nun: teurer Rückbau. Abschliessend füllen sich dann die unterirdisch Röhren der kostspieligsten Bunkeranlage Deutschlands mit frischem Gebirgswasser.
 
 
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