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  Berliner Zeitung
22.05.2006

Personenvereinzelungsanlage


Von Christian Esch

Der Fotograf Andreas Magdanz stösst ins Innere des BND-Zentrums Pullach vor und findet viel Leere

Im Dezember 1947 bezog die »Organisation Gehlen«, die Keimzelle des späteren Bundesnachrichtendienstes, ihr Quartier in Pullach. Seit 1938 stand hier die Reichssiedlung Rudolf Hess, eine Art NS-Wandlitz für die Münchner Parteielite; ein »Führerhauptquartier Siegfried« kam 1943 dazu, das Hitler nie betreten hat. Wehrmachtsoffizier Gehlen zog unter dem Namen Dr. Schneider in die Villa Martin Bormanns, das Gelände wurde hermetisch abgesperrt. Als die Bundesrepublik auch offiziell wieder im Ausland spionieren durfte, wurde die Organisation Gehlen in den Bundesnachrichtendienst umgewandelt.

Nun, da der BND bald von Pullach ganz nach Berlin umziehen wird, hat ein Fotograf Zutritt zum Gelände erhalten: Andreas Magdanz, der schon den Tagebau Garzweiler, den Regierungsbunker der Bundesrepublik im Ahrtal und das Lager Auschwitz fotografiert hat. Er durfte Ende 2005 in Pullach in allen Gebäuden fotografieren - nur nicht die Mitarbeiter, die ihm unter ihren falschen Namen freundlich begegneten. Seine hundert Fotos sind eine hundertfache, kunstvolle Enttäuschung: kalte, leere Räume mit grellweissen Wänden, bundesdeutsche Behördenästhetik, alles nüchtern und leblos. Korridore, Treppenhäuser, Heizungsübergabestation, Erstversorgungsraum der Diensthundestaffel, Hubschrauberlandeplatz im Schnee, Raumschiessanlage, Lagezentrum mit Köhler-Porträt, Personenvereinzelungsanlage zum Rechenzentrum. Nur in der Raucherecke neben dem Intranet-Leitstand hat menschliches Leben Spuren an den Wände hinterlassen, eine büroübliche Cartoon-Pinnwand. Magdanz' Fotos rufen: hier wird sachlich gearbeitet, vorschriftsgemäss, ineffizient. Pullach als eine riesige Personenvereinzelungsanlage.



 
 
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